Die Privatkopie im Urheberrecht

Seit September liegt die 2. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage vom Handbuch Urheberrecht vor (herausgegeben von Marcel Bisges im Erich Schmidt Verlag). Bereits verfügbar ist das eBook, die Printausgabe erscheint demnächst. Prof. Dr. Stefan Haupt hat das Kapitel zu den Begünstigungen des eigenen Gebrauchs, darunter auch der Privatkopierfreiheit, verfasst (S. 297-312). Lesen Sie weiter für eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte. Das Handbuch Urheberrecht ist hier erhältlich – auch als eBook (Leseprobe PDF hier).



Allgemeines
Die Privatkopierfreiheit (§ 53 Abs. 1 UrhG) erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten Gebrauch. Die sonstigen Vervielfältigungsmöglichkeiten zum eigenen Gebrauch sind in § 53 Abs. 2 UrhG geregelt. § 53 UrhG ist den Schranken des Urheberrechts zuzuordnen. Das sind Ausnahmen, die einen Ausgleich zwischen dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers einerseits und den Interessen der Allgemeinheit andererseits schaffen. Andere Schrankenregelungen beinhalten z. B.
–  das Zitatrecht (§ 51 UrhG),
–  die Nutzung für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen (§§ 60a-h UrhG) sowie
–  die Erlaubnis zur Nutzungfür Karikaturen, Parodien und Pastiche (§ 51a UrhG).

Die Regelungen des § 53 UrhG sind wahrscheinlich die im Alltag am häufigsten auftretenden Berührungspunkte zum Urheberrecht. Gleichzeitig herrscht Unsicherheit dahingehend, was genau im privaten Bereich erlaubt ist.

Historisches
Die Privatkopierfreiheit ist im Ergebnis des technischen Fortschrittes entstanden. Die Einführung von Tonbandgeräten hat es erstmals ermöglicht, Privatkopien von Musik und Radiosendungen herzustellen. Es war praktisch unmöglich, ein Verbot von privaten Vervielfältigungen durchzusetzen. Es musste eine Regelung gefunden werden, wie Urheber, wie z. B. Komponisten und Textautoren, deren Werke im privaten Bereich genutzt werden, wirtschaftlich daran benachteiligt werden. Die Lösung beinhaltet, dassGerätehersteller, durch deren Geräte eine private Vervielfältigung von Werken zu erwarten ist, eine sog. Geräteabgabe zahlen müssen. Diese wird durch die Verwertungsgesellschaften inkassiert und an die Urheber ausgeschüttet. Weiterhin gibt es eine Speichermedienabgabe. Eine interessante Entwicklung kommt im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24.03.2022 (C-433/20 – Austro-Mechana) zum Ausdruck: Grundsätzlich ist auch wegen Privatkopien, die in der Cloud gespeichert sind, eine Speichermedienabgabe zu zahlen. Der nationale Gesetzgeber kann dabei aber selbst entscheiden, ob die Cloud-Anbieter zu einer direkten Zahlung verpflichtet werden oder ob ein Ausgleich bereits anderweitig erfolgt.

Die Privatkopierfreiheit
Die Privatkopierfreiheit ist in verschachtelten Sätzen geregelt. Deswegen ist es sachgerecht, die einzelnen Voraussetzungen für die Herstellung einer erlaubten Privatkopie separat aufzulisten (§ 53 Abs. 1 Satz1 UrhG):
–  Es dürfen nur einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes hergestellt werden. Eine konkrete Zahl lässt sich schwer festlegen. Der BGH hat in einem alten Urteil entschieden, dass 7 Kopien zu viele sind (Urt. v. 14. 04. 1978 – I ZR 111/76). Es ist jedoch umstritten, ob diese Zahl heutzutage noch eine Bedeutung hat. Letztendlich kommt es auf den Einzelfall an. Wie viele Exemplare werden tatsächlich zur Deckung des persönlichen Bedarfs benötigt?
–  Die Vervielfältigung muss durch eine natürliche Person erfolgen.
–  Die Vervielfältigung muss zum privaten Gebrauch erfolgen. Ein Gebrauch ist privat, wenn er in der Privatsphäre zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse erfolgt – zum Beispiel in der eigenen Wohnung.
–  Die Vervielfältigung darf auf beliebigen Trägern erfolgen. Auch das digitale Kopieren ist erlaubt.
–  Die Vervielfältigung darf nicht unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienen.
–  Es darf keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachte Vorlage benutzt werden. Dieser Grundsatz ist vor allem beim Filesharing relevant.
Im Urteil des OLG Köln bezüglich eines Internet-Radiorecorders (Urteil vom 08.01.2021 – 6 U 45/20)heißt es, dass heute „praktisch jeder Musiktitel online legal und kostenlos verfügbar“ (Rn. 58) ist. Deswegen kann es auch bei Online-Angeboten die Vermutung geben, dass die Vorlagen aus legalen Quellen stammen.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die Herstellung einer Privatkopie durch einen Dritten erlaubt (§ 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG).

Sonstige Vervielfältigungsfreiheiten
Die sonstigen Vervielfältigungsfreiheiten betreffen den eigenen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 UrhG). Dieser Begriff ist weiter als der private Gebrauch zu verstehen und erlaubt unter anderem die Vervielfältigung zu beruflichen Zwecken und durch juristische Personen, d. h. z. B. durch Unternehmen. Die wesentliche Einschränkung des Vervielfältigungsrechts besteht darin, dass die Vervielfältigung nur auf Papier (oder ähnlichen Trägern) mittels photomechanischer (oder ähnlicher) Verfahren vorgenommen werden darf und nur eine analoge Nutzung erlaubt ist (§ 53 Abs. 2 Satz 2 UrhG).
Die Erlaubnis betrifft
–  die Aufnahme in ein eigenes Archiv (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UrhG),
–  die eigene Unterrichtung über Tagesfragen durch Funksendungen (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG) und
–  den sonstigen eigenen Gebrauch in Bezug auf vergriffene Werke bzw. kleine Teile erschienener Werke (§ 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG).

Technische Schutzmaßnahmen
Es ist verboten, technische Maßnahmen zum Schutz von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu umgehen (§ 95a UrhG). Solche Maßnahmen werden häufig als „Digital Rights Management“ (DRM) bezeichnet. Dieses Verbot umfasst grundsätzlich auch die Privatkopie und die sonstigen Vervielfältigungsfreiheiten. Der Rechteinhaber ist allerdings für bestimmte Zwecke dazu verpflichtet, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um den rechtmäßigen Zugang zum Werk zu ermöglichen (§ 95b Abs. 1 Satz 1 UrhG). Dieser Zugang darf im Fall der Privatkopie nach § 53 Abs. 1 UrhG allerdings nur für Vervielfältigungen auf Papier (oder ähnlichen Trägern) mittels photomechanischer (oder ähnlicher) Verfahren erfolgen (§ 95b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 lit. a UrhG). Technische Schutzmaßnahmen gegen digitale Privatkopien sind zulässig und dürfen nicht umgangen werden. Durch die sogenannte analoge Lücke ist es jedoch erlaubt, analoge Kopien von kopiergeschütztem digitalen Material herzustellen und anschließend zu redigitalisieren.

Einschränkungen
Wenn eine Privatkopie angefertigt wurde, schränkt das Gesetz ein, was man damit machen darf. Die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der Vervielfältigungsstücke ist nicht erlaubt (§ 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG). Die private Weitergabe ist jedoch erlaubt, da die Verbreitung eine Öffentlichkeit voraussetzt (§ 17 UrhG). Der Verleih ist nur in begrenztem Rahmen erlaubt, was vor allem für Bibliotheken relevant ist (§ 53 Abs. 6 Satz 2 UrhG).

Ausnahmen
Einige Arten von Werken sind von den Begünstigungen des eigenen Gebrauchs komplett ausgeschlossen oder nur begrenzt eingeschlossen. Die folgenden Handlungen sind nur unter engen Voraussetzungen ohne Einwilligung erlaubt (§ 53 Abs. 4 UrhG):
–  die Vervielfältigung von graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,
–  die im wesentlichen vollständige Vervielfältigung von Büchern sowie
–  die im wesentlichen vollständige Vervielfältigung von Zeitschriften.

Die Begünstigungen des eigenen Gebrauchs gelten nicht für elektronische Datenbankwerke (§ 53 Abs. 5 UrhG). Dabei ist zu beachten, dass eine Datenbank dafür überhaupt erst urheberrechtlich geschützt sein muss.
Außerdem sind
–  die Aufnahme von öffentlichen Veranstaltungen,
–  die Ausführung von Plänen und Entwürfen zu Werken der bildenden Kunst und
–  der Nachbau von Werken der Baukunst
nur mit Einwilligung des Berechtigten erlaubt (§ 53 Abs. 7 UrhG).